Zugspitz Ultratrail -> 68km
- Jan Kaschura
- 18. Juli 2022
- 8 Min. Lesezeit
Es war mein vierter Einsatz in den Alpen und bisher blieb mir jeder im Gedächtnis, aber dieses Mal topt es alles, was ich je gemacht habe. Das lag aber nur an meinem Siebkopf. ich bin ohne meine Stella halt nichts und wenn Ulli sie nicht ersetzt, bin ich in dieser Welt wohl sehr verloren. Muss wohl an einer unentdeckten Inselbegabung liegen.
Ich bin mit Joshua (Läufer), Anna ( Freundin von Joshua), Tom ( Betreuer von Joshua) und Jasmin (Freundin von Tom) zum Start nach Ehrwald gefahren. 40 Minuten vor dem Start packten wir unsere Sachen aus dem Kofferraum und ich bemerkte, das ich das falsche Trikot an hatte. An meinem Lauftrikot habe ich die Startnummer in der Unterkunft angebracht um diese nicht zu vergessen! Jetzt ratet Mal, was ich nicht dabei hatte.
Ich habe extra eine Stunde vor Abfahrt mehrfach meine Tasche kontrolliert, um ja nichts zu vergessen. Ich kenne mich ja und wollte echt nichts liegen lassen. Beim ZUT (Zugspitzultratrail) gibt's eine Pflichtausrüstung die jeder bei sich haben muss. Fehlt etwas, können sie dich disqualifiziere.
Tom hat nicht lange gezögert und gesagt, er fährt mich zurück. Eine Fahrt dauert ca. 25min. Das hieß, ich würde ca. 30min später starten. Sofort habe ich zugesagt und ab ging es zurück in die Unterkunft, wo das Trikot auf dem Bett lag. Ich muss schon zugeben, wie hatten 60min ein geiles Gespräch und eine Story die uns verbinden wird. Dies war es eigentlich schon Wert, als um ein Podestplatz zu kämpfen.
Wir waren wieder am Start in Ehrwald. Dort haben Anna und Jasmin mich schon angekündigt, dass einer später startet. Die Zeitnehmer schickten mich gleich auf die Strecke, weil die Matte zur Zeitmessung schon abgebaut war, hörte ich von der Seite aber noch Anna rufen, ich muss noch zur Kontrolle der Ausrüstung. Der Mann dort hat wirklich nur kurz geschaut und schickte mich dann los. Zu meinem Erstaunen standen dort noch zwei Läufer, die dann mit mir gestartet sind.
Ich lief los und musste erstmal über mich Lachen. Ich überlegte, wie ich dieses Rennen jetzt angehe. Ich wich aber nicht von meiner Taktik ab, wollte ich am Anfang etwas Körner sparen, um am Ende dann noch etwas aufs Gaspedal zu drücken. Ich fand es zudem irgendwie spannend, das Rennen als Verfolgung zu sehen und stellte mir die Frage, wie viele Läufer*innen kann ich wohl einholen?
Den Schlussläufer habe ich nach 3km eingeholt. Er sagte: "na die Startnummer gefunden?" Ich sagte: "ja lag auf dem Bett!" und lachte. Er hat mir viel Spaß gewünscht und ich lief auf der Schotterstraße in Richtung Pestkappel. Dies waren 7km mit ca. 700Hm. An der ersten VP standen gefühlt 100 Läufer*innen. Ich entschied mich nichts weiter aufzunehmen, obwohl ich schon gerne etwas zu trinken mitgenommen hätte, war meine Flasche schon sehr leer und die nächste VP 2 Stunden entfernt. Ab auf den Singletrail, vor mir noch ca. 350 Trailrunner auf einen schmalen Pfad.
Entweder ich lief etwas neben der Strecke um niemand zu behindern, was aber viel Kraft kostete. Ging hinter großen Gruppen her, falls dies nicht möglich war oder sagte "Entschuldigung bitte" und bedankte mich beim Platzmachen. Ich hatte vielleicht bei 2-3 Läufern kleinere Probleme, weil die Musik auf den Ohren hatten und mich nicht hörten. Hier habe ich dann etwas auf den richtigen Moment gewartet. Allgemein möchte ich mich bei allen bedanken. Jeder hat bereitwillig Platz gemacht. Lustigerweise fand ich, dass sich das mit mir sogar etwas durchs Feld gesprochen hat. Ich würde öfters gefragt, ob ich Supertrail XL Läufer war oder der Typ mit der Startnummer ( Supertrail XL -> der Lauf war über 84km und starte um 8 Uhr) es gab eh 5 Läufe und alle liefen auf der gleichen Strecke. Die 108km einmal um die Zugspitze herum. Der kleine, über 25km, nur das letzte Stück.
Bei Kilometer 10 sah ich Jan-Eric (einer meiner Athleten) im Gras sitzen und schaute sich die Landschaft an. Er sagte mir, dass es ein Fehler war keine Stöcke mitzunehmen. Dies habe ich ihm leider empfohlen, denn ich habe die Strecke auch etwas einfacher erwartet. Ich entschuldigte mich bei ihm, aber er war mir nicht böse. Jan stieg dann auch später aus, denn seine Patellasehne hat sich leider zu Wort gemeldet. Was absolut richtig war. Hätte er das auf Biegen und Brechen durchgezogen, dann könnte die restliche Saison in Gefahr sein.
Ich lief zum höchsten Punkt auf der Strecke (ca. 2200m) und machte mich auf zum Downhill, was eigentlich meine Schwäche ist. War ich dort aber mit meiner Performance echt zufrieden. Natürlich ziehen mich die richtigen Kracks da sowas von ab, aber dafür dass ich es nicht trainieren kann, fühlte es sich geschmeidig an. Wir reden hier von einem Gefälle von ca. 20% auf Schotter und kleinen Passagen.
Angekommen an der Hämmermosalm bei VP2 freute ich mich schon riesig auf Wasser und etwas zu essen, aber vorher stand da noch Tom. Erst erkannte er mich nicht, aber als er dann tat, flippte er aus und sagte was für ein starkes rennen ich da abliefere.
Hier hatte ich im Vorfeld eine Zeit von 2:20 eingeplant. Durchgelaufen bin ich nach ca. 2:27 Std. Damit war ich super zufrieden. Ich wusste nicht auf welcher Platzierung ich war. Im Nachhinein kann ich aber sagen, das ich da schon 33. war.
Ich füllte meine Flaschen auf, aß Melone, packte mir noch Käse und Wurst ein und entdeckte dann Berenice Mann. Wir unterhielten uns kurz und ich lief dann weiter. Er rief mir noch hinterher, ich sollte nicht vor Adrenalin überpacen.
Die Strecke hoch zur Wangalm fand ich ganz angenehm, obwohl ich das hier im Vorfeld als hartes Stück ausgemacht habe. Kleine, schöne Singletrailpassage im Wald, wo man so schön über die Wurzeln springen konnte. Ich war relativ alleine und genoss die Natur einfach. Es hatte sowas Märchenhaftes.
Kurz vor dem Alm wurde der Weg wieder zu einer Schotterpiste. Hier traf ich Christian (auch einer meiner Athleten). Ich war begeistert von seiner Leistung, sah er super aus und lag top platziert im Feld. Ich muss schon sagen, dass ich da Stolz war bzw. bin. Christian wurde dann Gesamt 33. in einer Zeit von xx
Die Strecke wurde etwas unwegsamer und auch ein paar Läufer*innen waren wieder vor mir. Ich kam nicht immer sofort an allen vorbei, nahm die Gehpausen dann einfach als Erholung. Hier habe ich auch meine Flasche an einer Quelle aufgefüllt und mich dort ordentlich abgekühlt. Drückte die Sonne doch arg auf meinen Schädel. Immer wieder hatte ich leichte Kopfschmerzen, die ich aber in den Griff bekam. Ich lief Richtung Scharnitzjoch bei Kilometer 27. Bis hierher habe ich ca. 2200 Höhenmeter bewältig. Der Plan war es, hier in 3:20 Std. zu sein. Ich war nur 4 Minuten in Verzug.
Jetzt ging es 5km hinunter ins Tal, wo in der Spitze bis 30% Gefälle auf wunderschönstem Schotter, vorhanden waren. In diesem Teilstück legte ich mich auch dreimal hin. Einmal auf einer etwas flacheren Wiese, weil ich mit die Gegend anschauen wollte. Dann vor einem Fotograf, weil ich etwas Posen wollte (auf das Bild freue ich mich schon) und als ich einen Dame überholte und dabei eine Wurzel übersah. Jedes Mal rollte ich mich wie ein Judokämpfer ab und habe nicht eine Schürfwunde.
Nochmals füllte ich meine Flasche an einem Bach auf und trank 500ml auf ex, weil ich wusste, die nächste VP ist nicht weit. Angekommen fuhr mir Tom im Auto entgegen. Er feurte mich an und sagte, das ich echt deppert bin, was eine Leistung. Ich erkundigte mich noch nach Joshua. Tom sagte, er sei schon seit einiger Zeit durch. An der VP trank ich nochmals 500ml Cola, kühlte mich mit Wasser ab und suchte nach Essen. Leider kein Käse oder Wurst, dafür wieder Melone. Allso rein damit. Dann lagen da noch Riegel. Ich wollte erst welche einpacken, als ich lass das es Rohkost war, habe ich sie liegen lassen und nahm dafür Banane mit. Nicht optimal, wegen des hohen Ballaststoffgehalts (muss man testen und vertragen), aber ohne Essen geht's halt nicht.
Ab hier waren es noch 34km bis ins Ziel und ich lag auf Platz 13! Übrigens der Platz den ich mir nachdem verzögerten Start vorgenommen habe, ihr wisst schon warum ;-)
Kein Gebirge mehr, aber auch keine Läufer*innen außer ein paar aus dem Basetrail Xl (45km). Ich ließ etwas rollen und lief die nächsten Kilometer alle unter einer 5er Pace. Geplant war, hier es etwas schneller zu laufen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich ein Motivationsloch. War die Gegend hier super schön, aber zog sich wie ein Gummiband. Ich lief auf Andrei aus Polen auf. Wir quatschen und ich entschied mich, das Rennen mit ihm weiter zu Laufen. Die meiste Zeit sagten wir nichts, aber dann fragte ich ihn, was er noch so machte und ich erzählte von meiner Familie. Ich fand es sehr angenehm bei ihm zu sein und wir sind bestimmt 6-7km bis zur nächsten VP gelaufen.
Hier traf ich wieder Tom. Er machte wieder große Augen und war fast sprachlos. Ich aß erst wieder etwas Melone und Haribo. Stopfte mir dann noch etwas Käse in den Mund und zusammen mit ein paar Bananen in meinen Beutel. Danach überschütte Tom mich noch mit Wasser, wo ich dann davon ausging, das mein Handy Schrott gegangen ist. Es war recht oben in meinem Rucksack und ist leider nicht Wasserfest. Tom erzählte mir, das alle vor mir zu kämpfen haben und ich noch 7! werden könnte.
Ich war auf einmal wieder heiß und wollte das bestmögliche rausholen. Hier lag ich übrigens auf Platz 12 und es waren noch 24km bis ins Ziel.
Weiter ging es über einen echt schönen Trailweg in einem Waldstück und hier lief ich dann auf Joshua auf. Er erzählte mir, dass er arge Probleme mit dem Magen hat und auch Krämpfen in den Waden. Ich entschied mich ihn etwas zu begleiten und quatsche zur Ablenkung mit ihm. Am wunderschönen Ferchsee ließ er ich mich ziehen und ich lief einen breite Schotterpiste Richtung Schloss Elmau hinauf, auf einem kleinen Trailstück zur nächsten VP.
Als erstes sah ich, wie immer Tom. Ich muss sagen, es hat mir jedes Mal Kraft gegeben! Ich trank vor Durst über 1l auf ex, nahm mir wieder Bananen mit und ein paar kleine Laugenbrezel. Als ich los rennen wollte sah ich erst Andrej und dann Joshua. Joshuas Verpflegungstaktik war so gut, dass er nach 30 Sekunden weiter könnte. Ich brauchte da immer 2-3 Minuten. Nach den ersten Schritten wollte die ganze Flüssigkeit wieder raus, ich wollte dies aber nicht, weil ich dann ein großes Problem der Dehydrierung gehabt hätte. Also ,alles wieder runter damit und da blieb es dann auch.
Es wurde nochmals etwas unwegsamer und auch steiler. Ich spürte meine Oberschenkel, aber versuchte überall hochzudrücken, wo ich nur konnte. Die Downhills brannten noch viel mehr. Meine Muskulatur war ziemlich erschöpft. Ich wollte aber beißen. Es wurde wellig, mit immer kleinen Stücken so um 10%, aber in der Ferne konnte ich Garmisch-Partenkirchen sehen. Noch ca. 11km. Immer wieder motivierte ich mich weiterzumachen, auch wenn es von Mal zu Mal schwieriger wurde.
An der letzten VP, 8km vorm Ziel, habe ich dann nur etwas Cola in die Flask gefüllt und bin dann gleich in den Downhill. 3km bei 15% auf Schotter und Asphalt. Das war für die Muskulatur noch brutal, aber ich ließ es doch ordentlich laufen. Ich sah die Skisprung-Schanze und wusste, das ich es gleich geschafft habe. Die letzten 3km waren dann ereignislos und es ging Richtung Zielbogen. Hier stand dann wieder Tom und feuerte mich an. Ich war bzw. bin echt stolz auf meine Leistung. Es war am Anfang nicht sehr einfach und auch anstrengend, aber es einfach so durchziehen und ein DNS nicht zu akzeptieren, war mental und auch körperlich, echt herausragend.
Ich denke, vor ein paar Jahren, hätte ich mir einen riesen Kopf gemacht, aber die ganze Erfahrung und die Liebe zum Laufen, haben mich echt entspannt gemacht. Ich spüre kein Druck von außen oder in mir und akzeptiere, was vor mir liegt. Ein Problem zu haben bedeutet, einfach schnell einen Lösung zu finden.
Im Ziel wollte ich dann eigentlich schnell duschen, aber weil ich so viele bekannte getroffen habe, hat das knapp 4 Stunden gedauert, bis ich mich schon endlich waschen konnte. Ich finde es wirklich erstaunlich, wen man alles so 600km entfernt von der Heimat trifft und jedes Gespräch war es wert.
Ach ja, die Live-Verfolgung hat nicht geklappt, weil sie die Start-Matte schon abgebaut hatten. Ich wurde aber nachträglich in die Wertung aufgenommen mit 8:04 Std. und damit habe ich den 9. Platz belegt 😀 meine eigentliche Laufzeit betrug aber 7:34 Std. Tatsächlich überlegte das Zeitnehmerteam mir 30 Minuten abzuziehen, das hätte ich aber unfair gefunden, weil ich dann 6. oder 7. geworden wäre. Es war mein Fehler und dafür darf jetzt keiner zurückgestellt werden.
Was wäre wenn ich normal gestartet wäre? Vielleicht 3. oder 4. weil ich dann meine Konkurrenz im Augen gehabt hätte. Aber hätte hätte ist egal... Ich bin 9. und habe ab jetzt eine Geschichte mehr, für meine zukünftigen Vorträge.
Foto © Jan Lenfert
Du bist so krass😀 deine Beiträge herrlich. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung
Hey Jan, das war wieder sehr unterhaltsam zu lesen. Sehr schöner, erfrischender und begeisternder Bericht. Das verrückt ist, wer einmal in den Bergen gelaufen ist kommt nicht mehr davon los, auch wenn man weiß auf was man sich da einlässt. Die Bergwelt ist einfach faszinierend und die Belohnung sind eigentlich keine Platzierung, viel mehr das Erlebnis, die Natur und die gleichgesinnten "Bekloppten" die durch die Berge rennen. Jeder der das finisht kann sich als Sieger fühlen.