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Ein Trainingsplan muss sich an dein Leben anpassen und nicht du an den Plan!

2016 war ich im Frühjahr in einer mega Form. 180km die Woche und jeder Lauf war einfach nur locker. Das damalige Ziel, unter 2:30 zu rennen, war greifend nahe. Zu dem Zeitpunkt kauften wir unser Haus und ich fing an, neben der Arbeit und dem Laufen, noch zu renovieren. Ich lief morgens um 5 vor der Arbeit meine Tempoläufe und Abends um 20-22 Uhr Dauerläufe. Alles lief eigentlich ganz gut, das Haus wurde immer schöner und ich konnte meine Trainingsvorgaben nicht immer, aber größtenteils, erfüllen.


Nach ein paar Wochen stieg die Leistung nicht mehr. Sie sank leicht und besonders auf meine langen Läufen über 20km konnte ich das Tempo nicht mehr halten. Ich habe mir Gedanken gemacht was los sei, aber die Lösung habe ich damals nicht gesehen. Ich hatte einfach zu viel mit dem Haus zu tun.


Als wir dann eingezogen sind, habe ich mich schon auf den Marathon gefreut. Theoretisch hatte ich jetzt mehr Zeit zum Laufen und regenerieren. Es waren nur noch drei Wochen bis zum Vivawest Marathon, aber ich war nach 10km laufen platt. An Tempo war überhaupt nicht zu denken. Meine Laufleistung ist gnadenlos eingebrochen. Ich versuchte es Tag für Tag aus neue und kam nach jedem Lauf frustriert nach Hause.


Eine Woche vor dem Start habe ich mich entschieden, nicht zu starten und 10 Tage kein Sport zu machen. Diese Entscheidung tat mir unglaublich weh, aber ich wäre NIE im Ziel angekommen.


Mein damaliger Trainer hat es nicht verstanden, war der Plan und die Ausgangslage doch gut. Er hat mir die mentale Stärke abgesprochen, ich muss aber auch zu seiner Entschuldigung sagen, dass wir nie über die Situation rund herum gesprochen haben. Ich selbst habe es aber auch gesehen, dass die ganze Belastung, neben dem Laufen, entscheident für den Erfolg ist.


Heute weiß ich, dass mein Körper bis zu dem Tag des Einzugs einfach nur funktioniert hat und als der Druck weg war, ist alles zusammengebrochen. Mein Körper wollte nur noch Ruhe. Klassisches Übertraining! Selbst nach 10 Tagen Pause fühlte ich mich mies. Ich trainierte zwar wieder, aber es hat bestimmt 3 Monate gedauert, bis ich endlich wieder lockere Beine hatte.


Wenn man sich jetzt nur den Plan angeschaut hat, dann wäre niemand auf die Idee des Übertrainings gekommen. Dort hat sich meine Ansicht der Trainingspläne geändert. Ein guter Plan muss sich in dein Leben integrieren und nicht das Leben sich nach deinem Plan richten. Egal ob Schichtdienst, kleine Kinder, Arbeit, Stress, Familie… Der Plan muss auf dich abgestimmt sein und nicht du richtest dich nach ihm.


Ich habe danach angefangen verschiedenen Laufbücher über Training zu lesen. Dort wird oft und viel über die Regeneration geschrieben, aber in keinem stand wie man einen Plan, zum Beispiel bei Schichtdienst, anwendet. Okay zur Verteidigung. Die Laufbücher sind fast alle von ehemaligen Laufprofis geschrieben und die haben keine 40 Stunden Woche neben dem Laufen.


Weitere Fragen wären noch offen. Ist st es überhaupt sinnvoll morgens um 6 oder eventuell Abends um 18 Uhr Tempo zu machen? Ist der Schlaf bei späten Temporeinheit vielleicht auch schlechter und wie kann ich mein Trainingsniveau bei anstrengenden Lebensabschnitte aufrecht erhalten?


Also blieb Stella und mir nichts anderes übrig, als es an uns auszutesten. Immer wieder haben wir verschiedene Formen des Trainings in unterschiedlichen Lebenssituation ausprobiert. Wir lernten was uns gut tat und was nicht. Nach und nach wurde unserer Training immer effizienter, wir konnten mit weniger Kilometer immer schneller rennen. Auch habe wir erkannt, dass wir unterschiedlich auf die gleichen Trainingsformen reagierten.


Stella mag es kurz und knackig, verträgt aber nicht viele Wochenkilometer. Während es bei mir genau anders ist. Wenn wenn ich einmal 10*400m mache, bin ich eine Woche platt, Stella wiederum sprang am nächsten Tag durch die Bude und hatte keine schweren Beine. Trotzdem lief dort auch nicht immer alles rund und wir suchten nach der Lösung.


Stellas Zyklus war unsere nächste Herausforderung. Wir merkten, das meine Stella in gewissen Phasen voller Energie war und manchmal wenig oder nichts ging. Schon vorm loslaufen verspürte sie an gewissen Tagen immer eine gewisse Lustlosigkeit. Wir vergleichten dieses Tage und sahen ein Muster. Wir fingen wieder an etwas zu experimentieren und haben relativ schnell eine Lösung gefunden, dann wurde Stella mit Fiona schwanger und könnten unser Training erstmal nicht testen.


Ich wiederum habe es 2019 dann auf die Spitze getrieben. Ich stellte mir die Frage, kann man 2 Marathons innerhalb von 4 Wochen laufen und 2 weitere Wochen spätern noch einen Ultra über 63,3km bestreiten? Dies alles auf höchstem Niveau. Es ging los mit dem Kassel Marathon, den ich in Bestzeit lief. Danach folgte der Lübeck Marathon, wo ich meine Zeit nochmal topen konnte und beim Ultra habe ich meinen eigenen Streckenrekord von 2017 ebenfalls unterboten.


Auf diesen Triple habe ich weniger hart trainiert als die Jahre zuvor, aber dafür Clever. Ich machte mehr alternativ Sportarten und lief an regenerativen Phasen wirklich wenig oder kaum. Auch die Phasen zwischen den Wettkämpfen, habe ich locker und nur leicht fordernd gestaltet. Der Plan ging auf und ich merkte, dass auch verrückte Ziele mit einen 42 Stunden Arbeitswoche möglich sind. Bitte nicht nachmachen, die Verletzungsgefahr ist enorm. Ich wusste was ich da an mir ausprobiere und habe ein hohes Risiko in Kauf genommen!


Fiona ist geboren und wieder haben wir unser Training umgestellt. Bei Stella ging es darum, nach der Schwangerschaft wieder ins Laufen zukommen. Hier sind die Bänder alle noch sehr weich, vor allem wenn man Stillt. Auch sollte man eine Rektusdiastase nicht unterschätzen! Man muss sich darum kümmern, daß diese sich schließt. Dies jetzt alles genauer aufzuschreiben, würde ein Instabeitrag sprengen.


Durch Fiona habe ich auch mein Training Mal wieder angepasst, da sie schon um 18 Uhr schläft und ich bis 16 Uhr arbeite, könnte ich mit meinem alten Training von 16-18 Uhr gar keine Zeit mit ihr verbringen. Also fing ich an, zur Arbeit zu laufen, um den Großteil meines Trainings vor der Arbeit zu absolvieren. So komme ich auf 90-120km/Woche. Deutlich weniger als früher, aber an Speed habe ich nichts verloren.


Dafür stehe ich jetzt um 5:30 Uhr auf. Dies war am Anfang echt eine Umstellung für mich, aber heute klappt das ohne große Probleme. Nur am Anfang habe ich deutlich zu wenig geschlafen, wenn man so früh aussteht, dann kann man nicht bis 23 Uhr auf der Couch liegen. Hier hatte 2021 beim Chiemgautrail mein absoluten Tiefpunkt. Ich habe mich an der Startlinie gefühlt, als ob ich gerade ein Marathon gelaufen bin, die Konsequenz war ein abgebrochener Lauf.


Nur 6 Wochen später stand ich, aufgetankt, mit wesentlich mehr Schlaf, in Lübeck am Start. Ich war super frisch und gewann den Lauf in einer 2:31 Std.


Stella läuft aktuellen keine 30km in der Woche und sie pulverisiert momentan ihre Bestzeiten. Sie hat durchgehend frische Beine und beschwert sich bei mir ständig, warum sie nicht schneller laufen darf. Dies ist aber zu dieser Saisonphase noch zu früh. Die Form würde zu schnell ansteigen und würde dann nicht sehr lange halten. Der Plan ist zum Paderborner Osterlauf top fit zu sein. Dann hält die Form noch 6-10 Wochen, je nach Grundlage, bevor es wieder in eine regenerative Phase geht.


Es ist erstaunlich, was eine effizienter Trainingsplan, der auf dein Leben zugeschnitten ist, für positive Auswirkungen hat. Anstatt, wie früher, einfach einem sturen Plan zu verfolgen. Noch ein kleiner Tipp: Hast du Mal ein Tag keine Zeit oder fühlst dich nicht gut, dann bleibe zu Hause und lasse dir ein Bad ein. Eine ausgefallene Trainingseinheit wird dich nicht zurück zu deinen Laufanfängen katapultieren. Ganz im Gegenteil, oft ist es der Schlüssel um besser zu werden.

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